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Das wollten Sie schon immer mal fragen…

Mein Arzt drückt mir eine Verordnung in die Hand. „Ergotherapie“ steht drauf. Und ich frage mich – Egotherapie, was ist das eigentlich? Was machen Ergotherapeuten? Und wie kann mir das helfen?

Was Google zum Thema Ergotherapie sagt

Als digital versierter Mensch zücke ich noch mit dem Rezept in der Hand mein Handy und google den Begriff „Ergotherapie“. Wikipedia spuckt sofort die Antwort aus:
„Die Ergotherapie ist eine Therapieform, die sich mit der Ausführung konkreter Betätigungen und deren Auswirkungen auf den Menschen und dessen Umwelt befasst. Beeinträchtigungen werden durch den gezielten Einsatz individuell sinnvoller Arbeit behandelt. Dabei nehmen die persönliche und sozio-kulturelle Bedeutung der Tätigkeit, deren Auswirkungen auf die Gesundheit und deren Wechselwirkungen mit der Umwelt einen hohen Stellenwert ein.“

Erklärung für das Wort Ergotherapie

Ich erfahre  außerdem, dass der Begriff vom altgriechischen Wort érgon stammt, was deutsch mit ‚Werk‘ oder ‚Arbeit’ übersetzt wird. Der Begriff „Therapie“ kommt von therapeía, was in der deutschen Sprache als ‚Dienst‘ oder ‚Behandlung’ hergeleitet wird.

Definition des DVE

Icon mit der Aufschrift Teilhabe
Icon mit Aufschrift Betätigung

Dann findet man im Netz die Definition des Deutschen Verband für Ergotherapie (DVE)„Ergotherapie unterstützt und begleitet Menschen jeden Alters, die in ihrer Handlungsfähigkeit eingeschränkt oder von Einschränkung bedroht sind. Ziel ist, sie bei der Durchführung für sie bedeutungsvoller Betätigungen in den Bereichen Selbstversorgung, Produktivität und Freizeit in ihrer persönlichen Umwelt zu stärken.
Hierbei dienen spezifische Aktivitäten, Umweltanpassung und Beratung dazu, dem Menschen Handlungsfähigkeit im Alltag, gesellschaftliche Teilhabe und eine Verbesserung seiner Lebensqualität zu ermöglichen.“

Was meine Nachbarin über die Ergotherapie weiß

Aha. Das klingt ja hochinteressant. Worte wie Betätigung, Aktivität und Selbstversorgung kann ich ja einordnen. Aber ich verstehe die Erklärung nicht wirklich.
Also frage ich meine Nachbarin, die vor einigen Jahren wegen einer Handverletzung in der Ergotherapie war. Von ihr höre ich: „Ergotherapeuten basteln mit ihren Patienten. Und sie flechten Körbe. Ach, und wenn ein Kind hyperaktiv ist, dann geht es zur Ergotherapie und sitzt dann immer in einer speziellen Schaukel.“  Und dann sagt sie noch: „Das ist so ähnlich wie Physiotherapie.“
Jetzt entstehen bei mir noch mehr Fragezeichen im Kopf. Wie soll mir Basteln und Körbe flechten helfen? Und Therapie in einer Schaukel kann ich mir auch nicht hilfreich vorstellen. Bei der Physiotherapie war ich vor kurzem. Das kenne ich. Und was ist jetzt der Unterschied?
Also suche ich mir eine Ergotherapie-Praxis in Dresden und rufe dort an.

Was Ergotherapie wirklich bedeutet

Mann beim Autofahren
eine Alltagsbetätigung: Auto fahren

Die freundliche Dame an der Rezeption gibt mir einen ersten Termin. Und schon kann ich meine Frage stellen: „Was ist eigentlich Ergotherapie? Was wird dabei mit mir gemacht?“
Sie hat eine Antwort parat: „Ergotherapeuten sind Alltagspezialisten. Sie helfen Menschen, das zu tun, was ihnen wichtig ist.“
Und dann sagt sie noch: „Sie können sich auf die erste Therapiesitzung vorbereiten, wenn sie sich aufschreiben, wie ein ganz normaler Tag bei Ihnen aussieht. Die Therapeutin wird sie fragen, welche Dinge Sie mit Ihrer Erkrankung problemlos tun können und welche Dinge im Alltag Ihnen Schwierigkeiten bereiten.“
Na das klingt doch verständlich! Wenn ich nächste Woche meinen ersten Ergotherapie-Termin habe, wird mir ein Therapeut helfen, im Alltag besser klar zu kommen.

Im ersten Termin stelle ich meine Frage nochmal. Die Therapeutin erklärt mir:

Nudelteller
auch Essen ist eine Betätigung

„Kernelement der Arbeit eines Ergotherapeuten ist das TUN. Ergotherapeuten unterstützen Menschen, das zu tun, was sie selbst wollen und was sie zufrieden macht. Manchmal sind es auch Dinge, die von Ihnen erwartet werden, wie z.B. zur Schule oder auf Arbeit zu gehen.“

Das finde ich verständlich. Aber ich will noch etwas wissen.

„Was ist der Unterschied zwischen Ergotherapie und Physiotherapie?“
Meine Ergotherapeutin erklärt es mir so: „Bei körperlichen Beschwerden behandelt die Physiotherapie den Körper des Patienten. Die Ergotherapie betrachtet und behandelt ebenfalls körperliche Beschwerden, geht aber darüber hinaus auf den Alltag und das Umfeld ihrer Klienten ein.“

Arbeitstherapie, Arbeits- und Beschäftigungstherapie, Ergotherapie – was ist der Unterschied?

Betätigung stricken
Eine Handarbeit auszuführen, ist eine Betätigung, die Lebensqualität bedeutet.

Im Laufe meiner Therapie, bei der ich an meinen persönlichen, alltagsrelevanten Zielen arbeite, komme ich mit meiner Ergotherapeutin ein wenig ins Plaudern. Sie berichtet, wie sich die Ergotherapie in den letzten Jahrzehnten verändert hat.

Früher gab es Arbeitstherapeuten, später Arbeits- und Beschäftigungstherapeuten. Mit Wirkung vom 1. Januar 1999 ist in Deutschland die Berufsbezeichnung Beschäftigungs- und Arbeitstherapeut/in durch Ergotherapeut/in ersetzt worden. Außerdem gibt es ein Gesetz, was den Beruf regelt – das „Ergotherapeuten-Gesetz (ErgThG)“.
Früher waren Arbeitstherapeuten häufig in Kliniken anzutreffen, wo Patienten durch den Therapeut beschäftigt wurden.  Handwerkliche Tätigkeiten nahmen einen großen Stellenwert ein. Aus dieser Zeit stammt auch das Klischee, dass die Ergotherapeutin als „Basteltante“ bezeichnet wird und ihre typische Hauptbeschäftigung darin besteht,  Körbe  zu flechten. Moderne Ergotherapie ist im Jahr 2021 aber viel, viel mehr. Man spricht auch von einem „Paradigmenwechsel“ in der Ergotherapie.

Heute arbeiten Ergotherapeuten auf der Grundlage von wissenschaftlichen Erkenntnissen, die durch die Erforschung der  Betätigung eines Menschen gewonnen wurden. In Deutschland hat sich dafür die Gesellschaft für Ergotherapiewissenschaft  gegründet. Ergotherapeuten gibt es weltweit. Sie sind organisiert im WFOT – dem Weltverband der Ergotherapeuten. Im englischen Sprachraum heißt der Beruf „occupational therapist“ – „OT“ abgekürzt. Ein moderner Ergotherapeut  verwendet Assessments und standardisierte Tests. Mit Ärzten kommuniziert er  auf Augenhöhe. In seiner täglichen Arbeit setzt er evidenzbasierte ergotherapeutische Verfahren ein  – also Therapiemethoden, deren Wirksamkeit wissenschaftlich nachgewiesen wurde. Handwerkstechniken werden nur noch gewählt, wenn sie eine Bedeutung für den Alltag des Klienten haben.

Die Therapie in Deutschland findet nach Regeln statt, die in der „Heilmittelrichtlinie“ und dem „Heilmittelkatalog“ gesetzlich verankert  sind. Diese wurden erst kürzlich umfassend neu verfasst und sind  zum 01.01.2021 in Teilen in Kraft getreten. Die augenscheinlichste Veränderung ist seitdem ein neues Rezeptformular, was Ärzte und  auch Psychotherapeuten ausstellen.

Spricht die Ergotherapie von Patienten oder Klienten?

Warum bezeichnet mich meine Ergotherapeutin auf einmal als Klienten?
Ein wichtiges Kriterium moderner Ergotherapie ist ein kleiner, aber feiner sprachlicher Unterschied. Ergotherapeuten von heute bezeichnen ihre „Kunden“ als Klienten und nicht mehr als Patienten.

Meine Ergotherapeutin beschreibt mir den Unterschied:
Ein Patient lässt sich behandeln, er ist vorrangig passiv und lässt etwas mit sich geschehen. Man sagt ihm, wie seine Behandlung ablaufen wird. Ein Klient dagegen ist aktiv. Er bestimmt eigenverantwortlich, welche Inhalte seine Therapie hat. Er sagt zum Beispiel zu seinem Therapeuten: „Mein Ziel ist es, nach meinem Schlaganfall wieder mit dem Bus meine Kinder besuchen zu können.“ Der Ergotherapeut erarbeitet daraufhin mit seinem Klienten einen Plan, wie dieses Ziel zu erreichen ist. Gemeinsam gehen sie in kleinen Schritten vor. Vielleicht muss zuerst geübt werden, wie der Klient seine Schuhe anzieht. Dann wird das Kaufen der Busfahrkarte erprobt. Schließlich bewältigt der Klient zusammen mit seinem Therapeuten die Fahrt mit dem Bus. Und wenn der Klient wiederholt seine Kinder besucht hat, wird die Therapie mit einem weiteren Ziel fortgesetzt oder abgeschlossen.

Ergotherapeuten verwenden daher in ihrem Wortschatz häufig den Begriff „Klientenzentrierung“.

Was ist denn nun Ergotherapie?

Betätigung eines Kindes Hausaufgaben
typische Betätigung eines Schulkindes – das Erledigen von Hausaufgaben

So viele gute Erklärungen haben mir ein umfassendes Bild  über die Arbeit eines Ergotherapeuten vermittelt.  Ich verstehe jetzt genau:

Ergotherapeuten beschäftigen sich mit dem TUN eines Menschen. Sie unterstützen ihre Klienten, Betätigungen auszuführen, die für sie Lebensqualität bedeuten.

 

Frau sitzt auf einem Boot
Therapie ist vergleichbar mit dem Steuern eines Bootes

Außerdem will ich ab sofort ein Klient sein. Ich werde gemeinsam mit meiner Ergotherapeutin in meinem Alltag etwas verbessern. Der Spezialist für meinen Alltag bin ich letztendlich selbst. Meine Ergotherapeutin steigt nur für kurze Zeit in mein Alltags-Boot und unterstützt mich, bis ich selbst mein Boot steuern kann.


Ein Kommentar

  • Christopher Seidel

    30. Mai 2022 at 9:04

    Super geschriebener und informativer Artikel :-). In diesen Blog werde ich mich noch richtig einlesen

    Antworten

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