Kind, konzentriere Dich!
„Hallo? Könntest du dich jetzt mal bitte konzentrieren?!“
Wer kennt diesen Satz oder eine ähnliche Variante nicht. Schnell neigen Erwachsene dazu Kinder zu mehr Konzentration aufzufordern. Doch was ist Konzentration eigentlich und wie viel davon braucht mein Kind?
Zunächst ist eines klar: Nicht jeder wird mit einer guten Konzentrationsfähigkeit geboren. Konzentration ist abhängig vom jeweiligen Menschen und muss trainiert werden. Im allerbesten Fall passiert das während unseres Alltages. Nur wer es schafft, seinen geistigen Fokus auf eine bestimmte Tätigkeit oder Aufgabe über einen gewissen Zeitraum zu legen, kann sich konzentrieren. Dazu braucht es Aufmerksamkeit: das genaue Hinsehen, das Verstehen von Gesagtem, motorische Ruhe und Mitarbeit sind hierfür wesentliche Dinge. Im Umkehrschluss bedeutet das: Ein Kind, welches nicht genau hinsieht, wenn die Lehrerin etwas zeigt, nicht zuhört wenn die Lehrerin die Aufgabe erläutert, unruhig auf dem Stuhl herumwippt und schlichtweg keine Motivation zur Mitarbeit hat, wird sich (wenn überhaupt) nur wenig konzentrieren können.
Kommt ein Kind mit der Diagnose „Konzentrationsstörung“ zu uns in die Ergotherapie, erörtern wir daher zunächst mit den Kindern die Frage „Was ist denn eigentlich Konzentration?“ Oftmals können Kinder mit diesem Wort nämlich nichts anfangen. „Ja, Mama sagt oft ich solle mich konzentrieren.“
Wir erklären es dann so: Konzentration ist, wenn du dir große Mühe gibst, an einer Aufgabe zu bleiben. Du schaust genau hin, du hörst gut zu und lässt dich nicht davon ablenken, die Aufgabe zu beenden.
An dieser Stelle fällt den Kindern dann meist selbst auf, was nicht optimal läuft. Das unruhige hin-und-her-Rutschen auf dem Stuhl, die Gedanken an die Hofpause welche wichtiger sind als der Mathematikunterricht oder das Verhalten anderer Kinder, welches einfach spannend und lustig anzusehen ist – alles trägt zu Ablenkung und wenig Aufmerksamkeit bei. Unser Ziel in der Ergotherapie ist es dann, Strategien für den Schulalltag zu entwickeln, welche diese Schwierigkeiten reduzieren. Dabei spielen auch die Anliegen der Eltern und Lehrer eine wichtige Rolle.
Wenn Sie bis hierhin aufmerksam gelesen haben, ist Ihre eigene Konzentrationsfähigkeit recht gut!
Aber wie viel Konzentration ist denn nun normal?
Wir Therapeuten benutzen dafür eine Faustregel:
Verdoppelt man das Alter des Kindes entspricht dies in etwa der Anzahl der Minuten, welche sich ein Kind konzentrieren kann.Also ein 7-jähriges Kind sollte sich etwa 14 Minuten konzentrieren können. Doch so leicht lässt es sich dann doch nicht sagen. Denn zum Beispiel im Unterricht muss ein Kind recht viele Anforderungen gleichzeitig bewältigen.
An diesem Punkt kommen auch Umweltfaktoren ins Spiel. Herrscht bei der Bewältigung einer Aufgabe innerhalb des Unterrichts viel Lärm oder ist es zu kalt oder zu warm im Klassenraum, reduziert das automatisch die Konzentrationsspanne.
Um eine altersgerechte Konzentrationsspanne entwickeln zu können, spielen viele Faktoren eine Rolle. Konzentrieren kann sich nur, wer eine angepasste Entwicklungsstufe erreicht hat. Ein Kind welches bereits in der Entwicklung Schwierigkeiten hatte, wird es eventuell nicht sofort schaffen eine altersgerechte Konzentrationsspanne an den Tag zu legen.
Außerdem ist es wichtig, dass alle physiologischen Grundbedürfnisse gestillt sind. Wer Hunger und Durst hat und vielleicht auch noch zur Toilette muss, schafft es nicht, eine wichtige Aufgabe zu bewältigen. Auch die angepasste Lern- und Arbeitsumgebung spielt im Hinblick auf Konzentration eine wirklich wichtige Rolle! Ein Raum, welcher unruhig und mit vielen ablenkenden Gegenständen eingerichtet ist, sorgt für innere Unruhe und wenig Fokussierung auf das Wesentliche.
Ein weiterer wichtiger Punkt wird bei der ganzen Sache oftmals außer Acht gelassen: nur wer ein bestimmtes Maß an Motivation, Neugier und Interesse für die Aufgabe mitbringt, wird die Aufmerksamkeit aufbringen können sich vollends darauf zu konzentrieren. Das das so ist, erleben Eltern sehr oft. „Mein Kind sitzt täglich eine Stunde im Zimmer und baut mit Bausteinen!“ – ganz klar: das Kind hat einfach das Interesse zu bauen. Es ist neugierig was aus den Steinen entstehen kann und es hat die Motivation weiterzubauen!
Wie also nutzen wir diese Fähigkeiten, um auch die Konzentration für die Schule und den Unterricht aufzubauen? An dieser Stelle lässt sich sagen, dass wirklich alles erlaubt und nichts verboten ist. Mit kleinen alltäglichen Beschäftigungen lassen sich große Konzentrations-Ziele erreichen. Kinder erlernen Dinge schneller, wenn sie spielen.
Die Konzentration lässt sich mithilfe von Gesellschafts- und Brettspielen, Bewegungsspielen, Hörspielen, Fingerspielen und so weiter gut fördern. Aber auch aus dem Schulalltag angewandte Übungen lassen sich zu Hause weiterführen: das Aufschreiben von einer Einkaufsliste, das Errechnen von Preisen und das Befolgen eines Backrezeptes können hier viel Gutes tun.
Und ab wann muss mein Kind zur Ergotherapie?
Fakt ist: Ein Kind, welches Schwierigkeiten in Sachen Konzentration und Aufmerksamkeit hat, ist nicht krank! Im Gespräch mit dem Kinderarzt sollten Sie die Probleme Ihres Kindes aber offen benennen. Er entscheidet dann, ob Handlungsbedarf besteht. Wenn er es für ratsam hält, stellt er eine Verordnung aus, damit wir Ergotherapeuten positiv auf diese Defizite einwirken können und ihrem Kind einen kleinen „Schubs in die richtige Richtung“ geben können.
ein Beitrag von Dana Marie Hoffmann
Zu diesem Thema haben wir bereits mehrere Blogbeiträge veröffentlicht. Lesen Sie auch „Konzentration ist alles – wie ihr Kind bessere Leistungen in der Schule erzielt“ und „Konzentrationsschwäche – wie ihr Kind bessere Leistungen in der Schule erzielt“